Messier 77 Info:


Messier 77 und NGC 1055

 ©Gerald Willems

Für uns Mitteleuropäer sind die südlichen Bereiche des Himmels meist etwas unterfrequentiert. Und obwohl die beiden Objekte, um die es in diesem AdM gehen soll, gar nicht so tief im Süden stehen, bedeutet die Position ziemlich genau auf dem Himmelsäquator doch bereits eine Einschränkung der Möglichkeiten, sie zu beobachten oder zu fotografieren. Wobei Fotografen die größeren Einschränkungen hinnehmen müssen, denn Aufhellungen in Richtung Horizont erzeugen Gradienten, die auch mit Flatfield-Aufnahmen nicht perfekt zu beseitigen sind, und das Seeing ist in diesen Breiten fast immer störend.

 Messier 77 befindet sich im unscheinbaren Sternbild des Walfischs Cetus. Im Jahr 1780 wurde M 77 von Pierre Méchain entdeckt und im selben Jahr von Messier als 77. Eintrag in seine Liste nebliger Objekte aufgenommen. Messier hatte das neue Objekt als Sternhaufen mit nebligem Eindruck eingestuft. Vermutlich hatten Vordergrundsterne oder die heute bekannten Knoten, die wie schwache Sterne erschienen, diesen Eindruck erzeugt. Erst 1850 hatte Lord Rosse (William Parsons, the third earl of Rosse) dieses Objekt, welches als eines von 14 neuen Beobachtungen von ihm neu entdeckt wurde, als Spiralnebel eingruppiert [1].

 M 77 weist eine Entfernung von 16,6 Mpc (54 Millionen Lichtjahre) auf und ist damit in ähnlicher Entfernung wie der Virgo-Galaxienhaufen zu finden. Der helle Kern erscheint uns mit einem Durchmesser von ca. 3 Bogenminuten, was einem tatsächlichen Durchmesser von knapp 50.000 Lichtjahren entspricht. Zieht man die feinen Ausläufer der Galaxie in diese Betrachtung ein, ergibt sich eine Ausdehnung von ca. 8 Bogenminuten, was bei der gegebenen Entfernung eine tatsächliche Größe von ca. 126.000 Lichtjahren bedeutet.

 Besonders auffällig ist der ungewöhnlich helle Kern von M 77. Dass es hier besonders aktiv zugeht, lässt sich damit schon vermuten. Untersuchungen der Lichtspektren haben ergeben, dass große Massen Gas aus der Kernregion mit einer Geschwindigkeit von mehreren hundert km/h nach außen transportiert werden. Derartige Erscheinungen wurden zuerst von Edward A. Fath (Lick Observatory), Vesto Melvin Slipher (Lowell Observatory) und schließlich von Edwin P. Hubble in seinem “historic paper of extragalactic nebulae" von 1926 beschrieben [1]. 1943 untersuchte und beschrieb Carl K. Seyfert diese besondere Gattung Galaxien und schuf damit die neue Klassifizierung der Seyfert-Galaxien.

 Es müssen besonders hohe Energien sein, die den beschriebenen Materietransport vom Galaxienkern nach außen vorantreiben. Die Ursache dafür ist im Innern der Galaxie zu vermuten. Man hat eine enorme Energiedichte im Kern der Galaxie gefunden, wie es typisch für Seyfert-Galaxien ist. Infrarot- und Radiostrahlung werden bei M 77 aus einer fast punktförmigen Quelle registriert. Wie auch bei anderen Galaxien mit derart aktiven Kernen, spricht man bei diesen hellen Galaxienkernen von AGNs (active galactic nuclei). Mit dem 10m-Spiegel des Keck-Teleskops auf dem Mauna Kea (Hawaii) konnte die Ausdehnung dieser nahezu punktförmigen Energiequelle auf einen Durchmesser von unter 12 Lichtjahren ermittelt werden.

 Donald E. Osterbrook und R.A.R. Parker stellten 1965 die Hypothese auf, dass es sich bei diesem aktiven Galaxienkern um eine Art Miniaturquasar handeln könnte. Der Grund für derart hohe Energiedichten in Seyfertgalaxien, sowie auch in anderen aktiven Galaxienkernen liegt an einem supermassiven Objekt, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Schwarzes Loch, welches in hohem Maß Materie aus seiner direkten Umgebung sammelt. Im Radiowellenbereich konnte in diesem Zusammenhang in der Umgebung dieses Kerns eine gigantische Materiescheibe nachgewiesen werden [4]. Röntgenaufnahmen des Weltraumteleskops Chandra haben eine Wolke heißen Gases offenbart. In einem Komposit, zusammen mit einer Hubble-Aufnahme, wird diese Wolke deutlich [5]. Diese Gaswolke bewegt sich mit ca. 1,6 Millionen km/h vom Kern der Galaxie nach außen. Die Besonderheit dieser Galaxie wird auch durch den Eintrag in “Halton C. Arp's Atlas of Peculiar Galaxies“ verdeutlicht [6].

 M 77 ist eine der am meisten untersuchten Galaxien. Ganz besonders eindrucksvoll erscheinen dabei Untersuchungen in verschiedenen Wellenbereichen des elektromagnetischen Spektrums. Die NASA hat auf einer ihrer Veröffentlichungen verschiedene Aufnahmen zusammengestellt, die im Visuellen, im Röntgenbereich, im Infrarotbereich, im UV-Bereich und im Radiowellenbereich aufgenommen wurden [7]. Die vielfältigen unterschiedlichen Erscheinungsmerkmale besonders im Kern der Galaxie erklären das energiereiche Innere der Galaxie sehr eindrucksvoll.

 Eine verhältnismäßig aktuelle Messung der Radialgeschwindigkeit von 2009 ergab 1137 km/s [2]. Legt man die aktuelle Hubble Konstante von 74,2 km/s/Mpc zugrunde[3], deckt sich die ermittelte Entfernung mit den aus der Hubble-Konstante und der Radialgeschwindigkeit ermittelten Werten. Das bedeutet, dass sich M 77 nur mit dem geringen Wert von ca. 87 km/s gegenüber ihrer Umgebung durch den Raum bewegt.

 Fast 30 Bogenminuten nordnordöstlich von M 77 befindet sich eine weitere bemerkenswerte Galaxie: nämlich NGC 1055. Ganz anders als bei M 77 haben wir es hier mit einer Edge-On-Spirale zu tun. Wir sehen also fast von der Kante aus auf diese Nachbarin von M 77. Auffällig ist das ausgeprägte Staubband, welches fast im Hintergrund zu verschmelzen scheint. Mit 14 Mpc (ca. 46 Millionen Lichtjahre) ist NGC 1055 deutlich näher zu uns gelegen. Dennoch geht man davon aus, dass M 77 und NGC 1055 die Hauptakteure einer kleinen Galaxiengruppe bilden. Tabelle 1 gibt eine Aufstellung, der zur Galaxiengruppe zugerechneten Gruppenmitglieder.

Die M 77-Gruppe

Galaxie

 

Entfernung [Mpc]

Radialgeschwindigkeit

(km/s]

NGC 1068

16

1137

NGC 1055

14

996

NGC 1073

16

1211

UGC 2275

15

1108

UGCA 44

15,5

1095

UGC 2302

ca. 15*

1104

Tabelle 1 (Daten aus Simbad)
*errechnet aus Hubblekonstante (74,2 km/s/Mpc)

 Die Daten aus Tabelle 1 weisen deutlich auf die physikalische Zusammengehörigkeit der genannten Galaxien hin. Bei den gegebenen Entfernungen und dem scheinbaren Abstand von 30 Bogenminuten zwischen M 77 und NGC 1055 ergibt sich ein tatsächlicher Abstand von etwas mehr als 400.000 Lichtjahren. Im Umfeld der Galaxiengruppe befinden sich aber noch weitere Objekte, NGC 1072, NGC 1090, UGC 2161 und NGC 1094, bei denen es sich allerdings um Hintergrundgalaxien  handelt.

Die Fotografie von M 77 und NGC 1055 ist, wie eingangs schon erwähnt, von Mittel- und Nordeuropa aus nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Position fast genau auf dem Himmelsäquator stellt die größte Schwierigkeit dar. Das Zentrum von M 77 ist dabei das geringere Problem. Schließlich haben wir es mit einer äußerst aktiven Galaxie zu tun, die zumindest im Kern schon bei kurzen Belichtungszeiten ihre Einzelheiten offenbart. Die Randgebiete erfordern aber ein Vielfaches der Belichtungszeit des Kerns. NGC 1055, die mit einer Flächenhelligkeit von 13,7 mag/arcmin angegeben wird, muss in jedem Fall ausgiebig belichtet werden. Vor allem, wenn sich das dunkle Staubband vom Himmelshintergrund abheben soll. Luftunruhe und die Aufhellung des Horizonts bedingen, dass die Objekte erst ab einer gewissen Höhe über dem Horizont sinnvoll aufzunehmen sind. Die dann zur Verfügung stehende Zeit wird es wohl notwendig machen, besser mehrere Nächte zur Aufnahme einzuplanen.

Quellen:

[1] http://messier.seds.org/m/m077.html

[2] http://simbad.u-strasbg.fr/simbad/sim-basic?Ident=M77&submit=SIMBAD+search

[3] http://www.astronews.com/news/artikel/2010/03/1003-002.shtml

[4] http://messier.seds.org/more/m077_hst.html

[5] http://messier.seds.org/more/m077_cxo.html

[6] http://messier.seds.org/xtra/supp/m-arp.html

[7] http://coolcosmos.ipac.caltech.edu/cosmic_classroom/multiwavelength_astronomy/multiwavelength_museum/m77.html